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Kellerkinderbericht: Das Bernsteinzimmer in der Gepäckabfertigung

Wenn man gelegentlich den Eindruck hat, die Sanierung des Mirker Bahnhofs ziehe sich etwas, liegt das oft daran, dass man vieles nicht sieht. Ein Paradebeispiel aus der Gepäckabfertigung ist das Bernsteinzimmer: ein ungefähr 25m² großer Kellerraum, den wir ironischerweise auch selbst eine Zeitlang vollkommen übersehen haben. Was daran lag, dass der einzige Zugang in einer der hinteren Kellerecken zugemauert war. Vor Jahren wurde der Durchgang geöffnet, wodurch wir uns eine gut getarnte Dauerbaustelle ans Bein banden.

Das Problem: der komplette Raum war auf dreiviertel der Höhe mit Erde und Schutt aufgefüllt worden. Als ehemalige Kohleschütte wurde der Raum offenbar irgendwann verfüllt und die Tür zugemauert. Und nun kann man einen Kellerraum voll Erde und Schutt auch gut ignorieren, wenn es dringenderes zu tun gibt, nichtsdestotrotz entwickelte sich die stehende Redensart »Geh das Bernsteinzimmer ausgraben«, wenn Uto*Pias über fehlende Betätigungsmöglichkeiten klagten. Der Spruch schaffte es in die Utopiastadt-Fibel, Grabungen im Bernsteinzimmer fanden aber durchaus auch (in unregelmäßigen Abständen) statt.

Aus den gelegentlichen Einsätzen wurde ein höher priorisierter Prozess, als der Solar Decathlon nahte und die trassenseitige Fläche vor der GPA eingeebnet werden sollte. Plötzlich gab es dort Bedarf an Verfüllungsmaterial, das praktischerweise im Keller nebenan herumlag. Die trassenseitige Schütte unter der Bahnsteigrampe wurde freigelegt und von dort aus gegraben. Ein historischer Flaschenzug wurde spontan wieder in Betrieb genommen, um Abraum rauszuschaffen. Und dann stießen wir auf Kohle.

Stellte sich heraus: ein Gutteil der Verfüllung bestand aus einem Flöz aus Braunkohlebriketts und Steinkohle-Eierkohlen, die aus vergangenen Zeiten noch über waren und irgendwann eben zugeschüttet wurden. Wir trennten Verfüllung nach draußen, Kohle nach nebenan, und gruben uns durch das Flöz mit Deckgebirge durchs Bernsteinzimmer. Und nach und nach leerte sich der Raum.

Wie meist ergaben sich aber direkt die Folgebaustellen. Jahrzehnte unter feucher Erde machten nicht nur den Tragebalken der Außenrampe ziemlich den Garaus, auch der Mörtel der Außenwände wies stellenweise eher nur noch symbolischen Charakter auf. Die Außenrampe wurde abmontiert, die Balken getauscht. Die kompletten Außenmauern im Keller wurden ohnehin schon seit einiger Zeit sukkzessive entwurzelt, enterdet und entbröselt, dasselbe nun auch im Bernsteinzimmer. Die Deckenträger mussten entrostet werden (sie haben es immerhin in die Wikipedia geschafft!), alte Leitungen und Rohre raus, neue Leitungen und Beleuchtung rein… Alles gut? Nun, bedingt.

Eine Probegrabung ergab, dass die Außenwand statisch durch eine gemauerte Ziegelquerung mit dem inneren Fundament der GPA verbunden war, die Außenwand selber hörte dabei jedoch ein, zwei Ziegelreihen unter Bodenniveau schlicht auf – dort stand sie halt auf dem Lehmboden. Und nun steht sie da ja schon ein paar Jahrzehnte ohne Zwischenfälle. Aber so ganz wohl fühlt man sich nicht. Insbesondere, wenn man weiß, was an der Gebäudeseite in den letzten Jahren so an Wasser versickert ist.

Jedenfalls, die aktuelle Baustelle ist ein weiteres Ausschachten des gestampften Lehms – Stück für Stück runtergraben, Außenmauer untergraben, ausmauern, zumachen. So ein wenig mehr und breiteres Fundament an der Stelle scheint eine sinnvolle Sache. Und im Übrigen merkt man von Woche zu Woche, wie es trockener wird.

Zwischen dem ersten und dem letzten Bild hier liegen nun etwas über vier Jahre. Wir sind aber zuversichtlich, dass die letzte »Dauerbaustelle« in Sachen Bernsteinzimmer über den kommenden Winter nun abgeschlossen wird. Von außen sieht man zwar praktisch nichts davon, aber viel nutzbarer Lagerraum zum einen und eine eliminerte Ursache von Schäden an der Bausubstanz sinds wohl wert gewesen.

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Blick zurück auf 2021

Uff.

Mit dem Fazit sollte man dem nun endenden Jahr gerecht werden.

Nachvollziehen können das wahrscheinlich die meisten: Das Gefühl, dass einige Sachen schon anstrengend genug waren und noch ein wenig schwieriger und anstrengender wurden? Dass man irgendwie noch zurande kam und dann folgte die nächste Schippe drauf? Strich drunter, nach vorn gucken? Ja, aber. Nicht nur.

Denn für vieles, das vielleicht auch anstrengend war, kann und muss man sich irgendwann auch nochmal auf die Schultern klopfen und Danke sagen. Anlässe gibts genug, begonnen damit, dass Du diesen Text liest – wir sind alle noch da und interessieren uns füreinander, nehmen Anteil und bauen Utopiastadt. Danke! Und jetzt erst recht!

Über den zweiten Coronasommer1 haben wir einmal mehr eine Anlaufstelle für risikoreduzierte Treffen sein können – Flächen für alle1 waren wichtiger denn je. Ein kleines Stück Normalität gab es bei den Kulturveranstaltungen, die stattfinden konnten – dank engagierter Künstler*innen und Veranstaltenden, durch Test- und Impfaktionen2, die wir auch in Utopiastadt den größten Teil des Jahres über anbieten konnten. Wir haben den kompletten Utopiastadt-Campus (USC) umgezogen und damit die USC-Flächen fertig zur Übergabe gemacht, so dass die Uni Wuppertal dort alles für den Solar Decathlon Europe (SDE)2 vorbereiten kann.
Utopiastadt startete ins Digitale Handwerk2, die Beuys-Woche2 fand erfreulich kontrovers auch auf dem UST-Campus statt, mit »Homo Communis2« landeten wir im Kino, die Stadt begann die Sanierung der Treppenanlage1. Das Künstlerkollektiv »brand« bescherte uns eine große, freundliche und nicht mehr blaue Hallenwand2 an der Nordbahntrasse, die Neue Urbane Produktion mit den »Blaupausen2« eine Projektentwicklung für eben diese Halle und von der WZ gibts alle vierzehn Tage eine Kolumne, den »Logbucheintrag2« aus Utopiastadt.

Die Sanierungen im Hauptgebäude und in der Gepäckabfertigung gingen kräftig voran1 – und das trotz gelinde gesagt widriger Umstände. Auch hier haben sich nicht nur viele Uto*Pias für hunderte Stunden ins Renovieren gehängt, sondern auch in die Planung und Umsetzung coronakonformer und sicherer Arbeitsmöglichkeiten. Und trotz weniger Begegnung vor Ort, eingeschränkten Veranstaltungs- und Öffnungsmöglichkeiten und viel zu wenigen Treffen bei Bierchen, Politik, Kunst und Raum1, gab es Gemeinschaft, Zuspruch, Spenden, Lob und Anerkennung. Das ist alles nicht normal, das ist durchaus utopisch und das tut unglaublich gut.

Mit diesem guten Gefühl im Bauch wollen wir jetzt einfach in ein neues Jahr starten. In dem wird der SDE eine größere Rolle spielen – bis zu den Veranstaltungswochen im Juni1 haben wir noch einiges zu tun. Das Hauptgebäude soll dann zumindest in Teilen nutzbar sein und zeigen, was in Zukunft dort alles möglich ist. Die GPA soll unter anderem ein Anlaufpunkt für internationale Bau- und Architekturteams werden, und der Campus wird wie jedes Jahr ein Gelände sein, auf dem man gern auch mal Pause macht und Kontakte knüpft. Wichtigster Weg dort hin: jeden Samstag ab 11 Uhr treffen wir uns dafür zum gemeinsamen Workout2 – mit 2G und einem Testzentrum2 vor der Nase. 

Den vielen Uto*Pias, die dort und an zahllosen anderen Stellen mit Arbeit, Herzblut und Leidenschaft dabei sind, verdanken wir nicht nur eine trotz Pandemie weiter gewachsene Utopiastadt, sondern auch einiges an hochoffiziellem Lob. Eine Anerkennung im 2021 erstmals ausgelobten Bundespreis »Kooperative Stadt«1 wurde Wuppertal zuteil, für die gute Zusammenarbeit von Stadt und »Stadtmacher*innen« wie Utopiastadt und BOB-Campus1. Im Herbst wurde Utopiastadt mit dem Sonderpreis der NRW-Stiftung des Engagementpreises NRW2 ausgezeichnet – drücken wir uns 2022 auf Bundesebene die Daumen!

Insgesamt war 2021 nicht einfach, und auch 2022 wird seine Herausforderungen haben. Trotz allem hatten wir in den verschiedensten Projekten, zu allen möglichen Anlässen viel Grund zur Freude und – so hörte man trotz aller Pandemie – eine Menge Spaß. Es hieß sogar gelegentlich, Utopiastadt habe dem einen oder der anderen durchaus über die bedrückenderen Pandemiephasen geholfen, und genau so soll es ja auch sein.
Und wenn es eben nicht so war, wenn man nach einem anstrengenden Jahr einfach müde ist und ne Pause von der Welt vertragen könnte, dann ist das verdammt nachvollziehbar und vollkommen in Ordnung. Mal kürzer treten und tief Luft holen, wann immer sich die Gelegenheit bietet, ist auch 2022 nicht verkehrt. Aber hoffentlich wieder öfter bei persönlichen Begegnungen auf dem Utopiastadt-Campus.

Passt auf euch auf, bleibt gesund. Wir bauen Utopiastadt weiter und werden auch 2022 ein Ort sein, der Halt, Kraft und Freiraum geben kann. 

Das Leben Utopiastadt ist eine Baustelle | Foto: Richard Joos
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