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7.4. | Tag der offenen Tür

Frühling! Da gehen nicht nur die Knospen auf, da öffnen sich auch die Türen:

Herzliche Einladung zum Tag der offenen Tür in Utopiastadt!

am 7. April startet um 14 Uhr das Programm, und wir erzählen Euch den Tag über alles, was Ihr schon immer über Utopiastadt wissen wolltet:

Kann man hier einfach so mitmachen? Wer sind die Mirker Schrauba? Wann ist Elektroreparaturcafé? Was ist Stand der Dinge bei der Sanierung des Mirker Bahnhofs? Wer verleiht nochmal wann die Fahrräder? Kann ich einen Coworking-Platz mieten? Arbeiten hier alle ehrenamtlich? Wo kann ich am besten spenden, damit das alles erhalten bleibt? 
Diese und alle weiteren Fragen versuchen wir Euch im Laufe des Tages zu beantworten – oder Ihr findet es beim Besuch der vielen Angebote gleich selber heraus.

Denn wie jeden ersten Sonntag im Monat ist natürlich auch am 7. April ›Mirker Matinée‹ mit Fahrrad- und Elektroreparaturcafé, Nähtreff, Klönschnack und Info-Stand.
Zum Tag der offenen Tür erweitert um mehrere Führungen, Radverleih, Fienchen-Vorstellung, Infos zum werdenden Fotolabor und natürlich extra viel Klönschnack zwischendurch.
Außerdem gibt es Waffeln vom Förderverein und zum Abschluss des Tages um 17 Uhr ganz besonders pfiffige Kurzvorstellungen einiger Tätigkeiten in Utopiastadt.

Für interessierte Neulinge ein guter Einstieg ins Wunderland Utopiastadt, für alte Hasen die Gelegenheit, Neues zu entdecken und für alle gemeinsam ein schöner Tag im Quartier Mirke!

(Und wer den Text aufmerksam gelesen hat, konnte sich direkt eine der oben aufgelisteten Fragen selber beantworten …)


PROGRAMM:

14:00 Uhr – Begrüßung und Infos zum Tag
Wartesaal 3. Klasse

ab 14:00 Uhr — Radverleih
Container an der Nordbahntrasse

ab 14:00 Uhr — Fahrradreparaturcafé
Mirker Schrauba, Platz neben der Hebebühne

ab 14:00 Uhr — Nähtreff
Mirker Str. 48a | Gemeinschaftsraum | Zugang über die Nordbahntrasse

14:15 Uhr — Führung zu den Modulen
Treffpunkt: Wartesaal 3. Klasse

ab 15:00 Uhr — Elektroreparaturcafé
Mirker Str. 48a | /dev/tal | Zugang über die Nordbahntrasse

15:30 Uhr — Führung Bahnhofssanierung.
Treffpunkt: Wartesaal 3. Klasse

15:30 Uhr — Führung Utopiastadt Campus
Treffpunkt: Info-Container auf dem Bahnsteig

17:00 Uhr — 20 mal 20 – Unterhaltsame Kurzvorstellungen aus Utopiastadt
Wartesaal 3. Klasse

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Logbuch

Wir wachsen über uns hinaus

Seit März 2021 erscheint in der Reihe »Logbuch Utopiastadt« regelmäßig eine Kolumne aus Utopiastadt im Wuppertaler Lokalteil der Westdeutschen Zeitung. Und hier auf der Seite.

Diese Kolumne ist von David J. Becher:

Logbucheintrag 0.50

Vergangenes Jahr klingelte in den Sommerferien mein Telefon. Ich saß in einer gemütlichen Dachkammer, blickte in eine verregnete aber  idyllische Landschaft, nahm den Anruf entgegen – und Lana erzählte mir, dass das, was mal als »Gemeinwohl-Stipendium« in Utopiastadt ausgedacht, ausprobiert und ausgezeichnet wurde, nun als »Vereinfachen« bei der Wuppertaler Wirtschaftsförderung weiter wächst. Vor zehn Jahren machte Julian sein Freiwilliges Soziales Jahr in Utopiastadt, betreut hier seither weiter Konzerte und Lesungen – und hat mittlerweile eine eigene Veranstaltungsagentur. Zusammen mit Julian war Johannes für unzählige Veranstaltungen bis hin zum Trassenrave verantwortlich. Ehrenamtlich. Und hat dann eines Tages die Prüfung zum Veranstaltungskaufmann abgelegt – ohne einen Tag klassische Ausbildung oder Berufsschule gemacht zu haben. Das Forum:Mirke wird konsequent von verschiedenen Ehrenamtler:innen aus der Umgebung durchgeführt, ist eine wichtige Stimme in der Quartiersentwicklung geworden und kam einst auf einen Impuls aus Utopiastadt zustande.

Zu einem Jahreswechsel landet man oft bei innerer Einkehr, bei Rückschau und Ausblick – und vielen Fragen: Was war, was wird, was war gut, was nicht, was geht, was kommt? Ging mir auch so, mit all meinem Tun. Bei Utopiastadt war die Antwort einfach: Was war? Baustellen. Was kommt? Baustellen. Und von vielen, oft überraschenden Stellen ein seltsames Beäugen mit der mal geäußerten, mal lautstark verschwiegenen Frage: Was macht Ihr eigentlich überhaupt noch?

Eine Frage, die zumindest mir zunehmend die Stimmung drückt: Denn gerade stemmen wir hier mit gesammelten Kräften wirklich Großes: Wir sanieren unter widrigen Bedingungen ein 140 Jahre altes Bahnhofsgebäude, finanziert durch Städtebaufördermittel, Spenden, Eigenleistung und Kommune; wir bauen zudem nach und nach eine Gemeinschaftswerkstatt ins Nebengebäude, welches wir ebenfalls von Grund auf sanieren (ohne staatliche Mittel, dafür mit sehr hilfreichen Spendengeldern und professioneller Ehrenamts-Unterstützung) – und wir entwickeln die Flächen, die zum Beispiel nach dem Solar Decathlon Europe ganz neue Nutzungsgenehmigungen brauchen.

Alles für sich genommen tolle, perspektivenreiche und hochmotivierende Projekte. Aber eben auch alle gleichzeitig. Da bleibt kaum Energie für das nötige »… und Rede darüber«. Und schon wächst der Eindruck, hier geschähe überhaupt nichts mehr und tröpfelt mit den vielen – durchaus verständlichen – skeptischen Fragen als feuchtkalter Nieselregen durch alle Schutzschichten bis unter die Haut. Das wiederum ist das Gegenteil von motivierend.

Da tut es gut, sich zu erinnern, was hier schon alles hervorgesprossen und über uns hinaus gewachsen ist. Und sich vorzustellen, was erst sprießen wird, wenn die Baustellen hier Schritt für Schritt abgeschlossen sind! Bis dahin spanne ich halt meinen Schirm auf, freue mich über das Gute, das auch ohne den großen Scheinwerfer hier sehr beständig passiert – und bin mir trotz der Zweifler sicher: Ihr hört von uns!


Erstveröffentlicht am 11.01.2024 in der Printausgabe der WZ: https://www.wz.de/nrw/wuppertal/utopiastadt-kolumne-wir-wachsen-ueber-uns-hinaus_aid-104909093

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Logbuch

Ein Tag fürs Gemeinwohl

Seit März 2021 erscheint in der Reihe »Logbuch Utopiastadt« regelmäßig eine Kolumne aus Utopiastadt im Wuppertaler Lokalteil der Westdeutschen Zeitung. Und hier auf der Seite.

Diese Kolumne ist von Amanda Steinborn und David J. Becher:

Logbucheintrag 0.48

Vor einigen Jahren rückte die Belegschaft der proviel GmbH hier an, entfernte eifrig allen Unrat und Gestrüpp auf dem Vorplatz und um das Nebengebäude, weckte dieses damit aus seinem Dornröschenschlaf – und nach einem Tag waren alle wieder weg. Das war ein klassischer ›Social Day‹. Ein Tag, an dem Firmenbelegschaften ihre Arbeitskraft ganz dem Gemeinwohl widmen.

Seit diesem Jahr organisieren wir wieder solche Tage. Unterschiedlich große Firmen kamen und haben zum Beispiel einen Garten hergerichtet, an der nördlichen Zuwegung zu Campus und Trasse gearbeitet oder beim Umzug der Gemeinschaftswerkstatt geholfen.

Einige Social Days machen wir in Kooperation mit dem Zentrum für gute Taten. Gerade bei Gruppen von 30 Personen und mehr. Diese für einen Tag zu beherbergen erfordert allerdings große Planungsleistungen. Und das machen wir hier ehrenamtlich.

Zum regelmäßigen Sanierungs-Workout haben wir eine Struktur etabliert, mit der wir Gruppen recht spontan in Arbeit bringen können. Samstags. Anders sieht es unter der Woche aus. Dort gehen die meisten von uns ihrer regulären Lohnarbeit nach und müssen sich erst Zeit schaffen, um alles zu koordinieren: Welche Aufgaben liegen an? Wie kann die Gruppe sinnvoll aufgeteilt werden? Welches Material ist nötig? Und vor allem: wer kann dabei sein? Nicht selten nehmen sich Utopist:innen extra Urlaub, um eine Social Day-Gruppe anzuleiten.

Das machen wir gerne. Nicht nur, weil damit oft viel Arbeit auf einmal geschafft wird. Sondern auch, weil wir so mit verschiedensten Arbeitskulturen in Kontakt kommen und gemeinsam andere Formen von Arbeit und Gemeinwohl ausprobieren können. Bisher immer für alle eine Bereicherung.

Proviel war damals extrem gut vorbereitet: Mit finanziellem und organisatorischem Einsatz haben sie Gerätschaften und Catering mitgebracht und mit richtig vielen Leuten richtig viel geschafft. Kleinere Firmen kommen mit ein oder zwei Hand voll Menschen und freuen sich, wenn wir Wasserkisten und am Ende ein Bier bereitstellen. Mit beidem können wir gut arbeiten.

Schwierig wird es, wenn Firmen von uns erwarten, für ihre Hilfe eine komplette Infrastruktur mit Verpflegung und Versorgung zu stellen. Wir sind sehr dankbar für jedes Hilfsangebot und am liebsten gute Gastgeber:innen. Aber wenn wir uns in der Situation wiederfinden, als Teambuilding-Dienstleister mit Hilfsarbeit entlohnt zu werden, wird aus einer vermeintlichen Unterstützung plötzlich eine unangemessene Zusatzbelastung. Und die können wir weder personell noch finanziell leisten.

Denn tagtäglich arbeiten wir hier auf ganz unterschiedlichen Baustellen daran, überhaupt eine stabile Infrastruktur für gemeinschaftliche Quartiersarbeit zu schaffen. Und das nahezu vollständig ehrenamtlich. Dabei freuen wir uns über jedes Team, das uns in einen Social Day dabei zu unterstützen mag. Macht nachher den Meisten viel Spaß! Und neben der Arbeit gibt es interessante Blicke hinter die Kulissen von Utopiastadt … 

Meldet Euch! kontakt@verein.utopiastadt.eu


Erstveröffentlicht am 09.11.2023 in der Printausgabe der WZ: https://www.wz.de/nrw/wuppertal/social-day-ein-tag-fuers-gemeinwohl_aid-101165595

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Logbuch

Ehrenamt und Demokratie

Seit März 2021 erscheint in der Reihe »Logbuch Utopiastadt« regelmäßig eine Kolumne aus Utopiastadt im Wuppertaler Lokalteil der Westdeutschen Zeitung. Und hier auf der Seite.

Diese Kolumne ist von David J. Becher:

LOGBUCHEINTRAG 0.46

Es grünt so grün, wenn Wodebuen! Wenn was? Na, Wodebuen! Die Woche des bürgerschaftlichen Engagements. Das Zentrum für gute Taten ruft, und ganz Wuppertal präsentiert an allen Ecken und Enden, wo es Engagement gibt und wo man sich engagieren kann. Gleichzeitig lese ich täglich auf Twitter (oder halt jetzt ‚X‘), dass die Gesellschaft auseinander driftet, niemand mehr das sagen oder machen darf, was sie oder er will und das überhaupt die Demokratie mindestens kaputt, vielleicht sogar am Ende sei. 

Ich sehe da einen Zusammenhang: Wenn ich zur Utopiastadt rüber gehe, treffe ich dort stets auf Leute, die sehr anders drauf sind, als ich. Die sehr anders mit Dingen umgehen, als ich. Die teilweise sehr andere Meinungen haben – und mit denen ich vermutlich außerhalb von Utopiastadt kaum mehr als ein höfliches »Guten Tag« gewechselt hätte. Und weil wir hier in der Kolumne ja unter uns sind, gehe ich noch einen Schritt weiter und verrate Euch (bitte sagt’s nicht weiter!): Da sind gelegentlich sogar Menschen bei, die ich irgendwie doof finde und deren Meinung ich für, gelinde gesagt, höchst zweifelhaft halte. Wenn ich solchen Meinungen auf Twitter begegne, bin ich schnell auf Widerstand gebürstet.

Aber hier, hier vor Ort, treffen wir uns ja nicht nur von Angesicht zu Angesicht, hier treffen wir uns vor allem bei Tätigkeiten, die der Allgemeinheit zu Gute kommen. Wir sanieren Räume für alle, wir besorgen Flächen für alle, wir organisieren Reparaturcafés oder Quartierskonferenzen für alle – und ganz neu gibt es im Hutmacher einen Bücherschrank für alle. Immer stecken da verschiedene Menschen, manchmal auch nur Einzelne dahinter, die sich mit Engagement, Herzblut und ziemlicher Vehemenz dafür einsetzen, dass das Quartier für alle etwas besser wird. Also finde ich jede und jeden von denen erstmal gut, nett, richtig und wichtig. Selbst, wenn sie Sachen sagen, die ich für verkehrt halte. Oder eine vollkommen andere Meinung vertreten, als ich. Auf Twitter würde ich nur diese Meinung lesen. Im gemeinsamen Engagement kriege ich ihre Haltung mit. Und sie meine. Eine viel bessere Grundlage, um dann über Meinungen zu diskutieren, meinetwegen auch zu streiten. Schließlich gehört zur lebendigen Demokratie auch der Streit über verschiedene Meinungen. Aber um das vernünftig zu üben, müssen wir Orte haben, an denen wir uns außerhalb unserer Freundeskreise und Schrebergärten und Stammtische begegnen können. Und zwar aktiv begegnen: Mit Tat und mit gegenseitigem Rat. Indem wir zum Beispiel Fenster sanieren und uns jemand sagt, wie das geht. Oder Fahrräder verleihen und dabei mit Hinz und Kunz ins Gespräch kommen. Oder beim Reparieren einer Hose im Nähtreff über die FDP diskutieren. Denn ich bin feste davon überzeugt: Wenn wir die Demokratie sichern wollen, dann geht das am Besten an Orten, wo wir privat sehr anderen Menschen begegnen. Und dabei irgendetwas produktives tun. Kurz: Die Demokratie retten wir am besten beim gemeinsamen Unkraut jäten. Utopiastadt ist ein Ort dafür.


Erstveröffentlicht am 14.09.2023 in der Printausgabe der WZ: https://www.wz.de/nrw/wuppertal/logbucheintrag-046-ueber-ganz-unterschiedliche-menschen-die-in-der-utopiastadt-aufeinandertreffen_aid-97651231

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Logbuch

Danke, Bufdis!

Seit März 2021 erscheint in der Reihe »Logbuch Utopiastadt« regelmäßig eine Kolumne aus Utopiastadt im Wuppertaler Lokalteil der Westdeutschen Zeitung. Und hier auf der Seite.

Diese Kolumne ist von David J. Becher:

Logbucheintrag 0.45

Letzten Monat schrieb Amanda hier von tatkräftiger Hilfe, die Utopiastadt braucht. Darauf haben sich tatsächlich interessierte Menschen gemeldet oder sind einfach direkt samstags zum Sanierungs-Workout gekommen. Darüber freuen wir uns sehr! Noch immer braucht es weiteres Engagement, um Utopiastadt als einen guten und offenen Ort für alle zu erhalten, aber jetzt merken wir zumindest ganz direkt, dass wir nicht so alleine all die vielen Gemeinschaftsaufgaben schultern müssen, wie es sich zuletzt oft anfühlt. Vielen Dank!

Dabei eines beim Ehrenamt klar: Es braucht Freiraum in der persönlichen Zeit und Freiwilligkeit beim Tun.

In dem Zusammenhang ist es besonders schön, dass jedes Jahr junge Menschen das Experiment antreten, sich für zwölf Monate gegen ein Taschengeld selbst zum ehrenamtlichen Tun zu verpflichten und einen Bundesfreiwilligendienst (Bufdi) in Utopiastadt machen. Zuletzt waren das Ben, Frieda, Philipp und Valentina, die nun die letzten Wochen hier arbeiten. Schon jetzt ist klar: Wir werden sie sehr vermissen! Menschlich sowieso, weil sie nicht zuletzt durch ihre tägliche Anwesenheit diesen Ort mindestens so geprägt haben, wie langjährige Gelegenheitsutopist:innen wie ich. Aber eben auch fachlich!

Seit Utopiastadt vor allem Sanierungsbaustelle ist, sind sie nun die dritte Bufdi-Generation, deren Hauptaufgabe es war, sich bei der Sanierung zu engagieren. Und seit Beginn des Jahres unter erschwerten Bedingungen: Zwei zentrale Stellen fielen weg und konnten aus finanziellen Gründen nicht nachbesetzt werden. Beides Stellen, die im Umfeld der Sanierungs- und Flächenentwicklungsarbeiten enge Ansprechpartner für die Alltagsarbeit der Bufdis waren. Seither sitze ich freundlich aber fachlich ziemlich ahnungslos bei den meisten Samstagsworkouts morgens zwei Stunden als Begrüßungs-Rezeption in der Werkstatt und durfte hautnah erleben, wie vier junge Menschen eine bewundernswert selbständige Verantwortung für ihr Tun übernommen haben!

Und nicht nur in der Sanierungswerkstatt: Auch anderswo waren alle vier verlässlich und präsent dabei: Auf- und Abbauten von Veranstaltungen, spontaner Einsatz bei unvorhersehbaren Dringlichkeiten oder einfach die persönliche Ansprechbarkeit, wenn wer Hilfe bei der Orientierung in der Vielfalt Utopiastadts brauchte.

Das alles habt Ihr, Ben, Frieda, Philipp und Valentina, vom Start mit neugieriger Begeisterung – ich schaue dazu gern in Friedas Logbuch-Kolumne aus September 2022 – bis zum Ende beeindruckend gemeistert! Und ich meine wirklich Meisterschaft: Mir ist sehr bewusst, an welche Grenzen einen die herausfordernde Situation der Großbaustelle Utopiastadt bringen kann. Besonders, wenn man sich nicht wie andere Ehrenamtler:innen einfach mal eine Weile herausziehen kann. Diese konsequente, selbstbewusste und verlässliche Arbeit, die Ihr uns und allen, die Utopiastadt nutzen, geschenkt habt, nötigt mir eine großen Respekt ab. Von Herzen: Danke!


Erstveröffentlicht am 10.08.2023 in der Printausgabe der WZ: https://www.wz.de/nrw/wuppertal/utopiastadt-logbuch-ohne-freiwillige-laeuft-hier-nichts_aid-95424635

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Logbuch

Vom Geben

Seit März 2021 erscheint in der Reihe »Logbuch Utopiastadt« regelmäßig eine Kolumne aus Utopiastadt im Wuppertaler Lokalteil der Westdeutschen Zeitung. Und hier auf der Seite.

Diese Kolumne ist von David J. Becher:

Logbucheintrag 0.35

Seit sehr langer Zeit werden wir immer wieder gefragt, wo denn die Givebox geblieben ist: Der Spind, in den Menschen Dinge hinein tun können, die sie nicht mehr brauchen, damit andere diese Dinge mitnehmen und gebrauchen können. Eigentlich eine einfache Sache. Eigentlich … 
Dieses ‚Eigentlich‘, das so viele Anfragen an Utopiastadt durchzieht, hat Erich Kästner einst gut ausgeführt: »Es gibt nichts Gutes, außer, man tut es.« Und jetzt ist Thomas aufgetaucht, der mit einer utopiastadt-kompatiblen Beharrlichkeit so lange nachgehakt hat, was er tun kann, damit eine neue Givebox an den Start kommt, bis er an den richtigen Stellen gelandet ist. Jetzt bereitet er mit weiteren  Utopist:innen alles dafür vor, dass bald wieder eine Givebox an der Trasse steht!

Was mich dazu gebracht hat, mir mal wieder Gedanken über das Geben an sich zu machen. Eine Givebox ist ein guter Ort, um die vorzeitige Verwandlung von Nützlichem zu Abfall zu verhindern. Was aber ist mit der Hingabe von Arbeit, dem Bereitstellen von Räumen, dem Teilen von Wissen? 

In vergangenen Jahren ist mir gelegentlich die Frage gestellt worden, warum meine Arbeit in Utopiastadt nicht bezahlt würde. Mehr noch: Es wurde unterschwellig kritisiert, dass man solche Arbeit unentgeltlich zur Verfügung stellt. Worin ich unter Anderem eine seltsam verschobene Wertschätzung von Arbeit sehe: Wird sie unentgeltlich erledigt, gilt sie rasch als minderbewertet. Geben ohne direkten Gegenwert, also Schenken, ist gerade noch zu konkreten Anlässen vorgesehen, aber damit auch mindestens mit dem Gegenwert konventioneller Konformität belegt. Einfache Hingabe von Zeit, Leistung oder Dingen sorgt hingegen bei genauerer Betrachtung oft für Irritation. Aber wonach bestimmen wir eigentlich den Wert all unserer gesellschaftlichen Leistungen? Warum verdient eine Kindergärtnerin weniger als eine Studienrätin? Noch seltsamer: Warum verdient eine Studienrätin weniger als ein Studienrat? Und um es richtig kompliziert zu machen: Warum verdienen wir überhaupt etwas für unsere Arbeit? Oder umgekehrt: Warum müssen wir erst arbeiten, um etwas zu verdienen? 

Dabei will ich gar nicht auf den schon erfreulich breit diskutierten Ausweg des bedingungslosen Grundeinkommens hinaus. Sondern auf die Frage des bedingungslosen Gebens: Wir leben hier in einer ausgeprägten Überflussgesellschaft. Und ich persönlich habe grundsätzlich mehr als genug zur Verfügung. Das fühlt sich nicht immer unmittelbar so an, aber genau besehen bin ich weit entfernt von jeglichem Mangel.
Also arbeite ich in Utopiastadt mit all den Ressourcen, die mir nebenbei zur Verfügung stehen, an einer besseren Gesellschaft. Einfach so. Mit Hingabe. Im sprichwörtlichen Sinne. Dafür erwarte ich zunächst nichts, Bezahlung schon gar nicht, aber auch nicht Dank, Anerkennung, Sonderstellung, oder gar die in der Apostelgeschichte beschworene Seligkeit. Zunächst. Denn etwas erwarte ich schon – doch auch das nur, insoweit ich da selber Hand anlegen kann:
Eine bessere Gesellschaft.


Erstveröffentlicht am 13.10.2022 in der Printausgabe der WZ:
https://www.wz.de/nrw/wuppertal/stadtteile/elberfeld/kolumne-aus-wuppertal-es-gibt-nichts-gutes-ausser-man-tut-es_aid-78231863